Passend zum Länderspiel-Doppelpack gegen Frankreich und die Niederlande gibt es hier wieder aktuelle Einschätzungen auf die Frage: Welche Spieler von Borussia Dortmund spielen in der deutschen Nationalmannschaft eine Rolle im Hinblick auf die EM 2016 in Frankreich?
Tor
Roman Weidenfeller
Die langjährige Nr. 1 des BVB ist im Verein in der Bundesliga nur noch Ersatz hinter Neuzugang Roman Bürki. Wie von Andreas Köpke angekündigt, rücken nach der U21-EM auch beim DFB jüngere Keeper nach. Bernd Leno hat sich die Nominierung durch Topleistungen, auch in der Champions League, absolut verdient. Kevin Trapp und Marc-André ter Stegen können inzwischen auch CL-Erfahrung vorweisen.
Für Weidenfeller ist das Kapitel Nationalelf geschlossen. In Erinnerung bleiben wird sein vorbildliches Verhalten bei der WM in Brasilien.
Abwehr
Mats Hummels
Der BVB-Kapitän ist an der Seite von Jerome Boateng gesetzt. In Sachen Fitness tritt er stark verbessert zur Vorsaison auf. Sein nach wie vor vorhandens Geschwindigkeitsdefizit gleicht er wie gewohnt meist durch gute Übersicht, Antizipation und Stellungsspiel aus. Wie Hummels selbst bestätigte, hat sich die neue Spielweise von Dortmund, mit größeren Fokus auf Ballbesitz, der DFB-Spielphilosophie angenähert. Zuletzt wurde Hummels wegen leichter Fehler im Aufbau- und Stellungsspiel kritisiert. Ähnlich wie bei Torhütern wird hier vielleicht die eine schlechte Aktion die zum Gegentor führt überbewertet. Dagegen bleiben die zwanzig guten Pässe im Aufbau, von denen einer zum Torerfolg führt, den Zuschauern weniger im Gedächtnis.
Nach dem Rücktritt von Per Mertesacker stehen Boateng und Hummels in der Hierarchie über den anderen Innenverteidigern. Dahinter warten Skodran Mustafi (Valencia) und Ex-BVB-Jugend-Spieler Antonio Rüdiger (AS Rom) auf ihre Chance. Weitere Kandidaten sind Niklas Süle und Jonathan Tah, der jetzt in Leverkusen erste Champions League-Erfahrung sammeln kann. Matthias Ginter wird aktuell eher zum Kandidat für die Rechtsverteidiger-Position.
Für Löw wäre auch eine Dreierkette bestehend aus Boateng, Hummels und Badstuber interessant. Das wäre eine sehr spielstarke Kombination und dazu bliebe noch Platz für einen weiteren starken Mittelfeldmann. Solange Badstuber nicht bei 100% ist, bleibt das nur ein Gedankenspiel. Natürlich wäre dies auch vom Gegner abhängig. Badstuber hat auf Außen, wie bekannt, auch Geschwindigkeitsnachteile.
Momentan baut Löw auf eine Viererkette aus Ginter – Boateng – Hummels – Hector.
Matthias Ginter
Eine neue Perspektive ergibt sich, wie erwähnt, möglicherweise für Matthias Ginter. Um die seit dem Rücktritt von Philipp Lahm vakante Rechtsverteidiger-Position ist der Kampf eröffnet. Beim BVB für den verletzten Piszczek ins Team gerutscht, präsentierte er sich als starker Vorbereiter und glänzte sogar als Torschütze. Bei der WM 2014 setzte Löw auf vier gelernte Innenverteidiger in der Viererkette. Ginter könnte als eine Mischung aus torvorbereitendem Außenverteidiger und kopfballstarkem Innenverteidiger (Thema Standards) ins Team rutschen. Das hängt allerdings auch stark davon ab, ob er beim BVB Piszczek dauerhaft verdrängen kann. Zudem profitiert er beim BVB vom „Überladen“ der linken offensiven Seite. Unter anderem durch gezielte Seitenverlagerungen (u.a. von Schmelzer, Kagawa) auf die rechte Seite, wird Ginter beim BVB in Szene gesetzt. Ob das beim DFB so geplant ist scheint unsicher.
Jogi Löw testete zuletzt in den Spielen gegen Schottland mit Emre Can einen eher „spielmachenden“ Rechtsverteidiger. Auch Sebastian Rudy als gelernter defensiver Mittelfeldspieler bekam seine Chancen. Hier bleibt abzuwarten auf welchen Spielertyp der Bundestrainer setzt. Bei der 0:1-Niederlage gegen Irland stand Ginter, wie beim 2:1 gegen Georgien in der Startelf. Beide Spiele können nicht als Maßstab gesehen werden. Die kommenden Testspielen gegen die Niederlande und Frankreich könnten schon mehr Hinweise liefern, wie es mit Ginter in der Nationalelf weitergeht.
Erik Durm
Durch seine lange Verletzungsserie muss er alle Hoffnungen auf die Rückrunde setzen. Allerdings sind sowohl beim BVB als auch bei der Nationalelf einige Konkurrenten an ihm vorbeigezogen. Nicht zuletzt Matthias Ginter. Er muss sich in der Rückrunde erst einmal in den BVB-Kader zurückkämpfen. Dann wir man sehen wo die Reise hingeht. Mit dem Wiedereinstieg in das Mannschaftstraining Mitte November hat er den ersten Schritt zum Comeback beim BVB gemacht.
Marcel Schmelzer
Der Linksverteidiger blüht unter Thomas Tuchel auf und profitiert vom neuen Spielsystem des BVB und seiner neuen Rolle als „Flügelstürmer“. Jogi Löw setzt zurzeit auf den Kölner Jonas Hector als Linksverteidiger. Wobei sich der Bundestrainer nicht scheut komplett ohne „gelernte“ Außenverteidiger aufzulaufen, wie das Beispiel der WM in Brasilien zeigt. Hector ist nach Schmelzer, Aogo, Pander etc. der nächste Test-Kandidat, der zudem im Verein noch keine internationale Erfahrung sammeln konnte. Inwieweit er höchsten internationalen Ansprüchen genügt, müssen u.a. die beiden kommenden Testspiele zeigen.
Mittelfeld
Ilkay Gündogan
Nach der langen Verletzungspause wegen seiner Rückenverletzung ist Ilkay aktuell wieder in Top-Form. Beim BVB auf einer offensiven Achter-Position agiert er wieder so dynamisch wie zuletzt in der Saison 2012/13. Sein Problem könnte mehr der Status als die Klasse eines Bastian Schweinsteiger werden. Dazu heißen seine Konkurrenten Khedira, Kroos und Kramer. Im letzten Länderspiel er bekam er eine Chance der „Zehn“. Er ist wie gemacht für die Spielphilosophie des DFB und aus dem EM-Kader 2016 nicht wegzudenken. Jogi Löw freut sich mit Sicherheit über die vielen Optionen die ihm Gündogan ermöglicht. Ilkay Gündogan ist mit Sicherheit ein wesentlicher Bestandteil im Plan des Bundestrainers für die EM 2016.
Marco Reus
Der Fußballer des Jahres von 2012 war vor der WM 2014 in Top-Form. Nur eine Verletzung in letzter Minute verhinderte seinen Auftritt auf großer Bühne. Seine Schusstechnik und Ballkontrolle in höchstem Tempo machen ihn für Jogi Löw unverzichtbar. Ihm ist zu wünschen, dass er mal längere Zeit verletzungsfrei bleibt. Kaum ein Spieler ist so abhängig vom Rhythmus wie er. Nach seiner Zehenverletzung gerade wieder in Schwung gekommen, stoppte ihn kurz vor dem Revier-Derby ein Muskelfaserriss im Adduktorenbereich. Für die Länderspiele gegen die Niederlande und Frankreich ist der damit kein Thema. Im Hinblick auf die EM 2016 wäre flexible Offensiv-Besetzung mit Reus, Götze, Özil und Müller wäre für jeden Gegner schwer auszurechnen. Dahinter lauern die aufstrebenden Bellarabi und Sané. André Schürrle wird bald seinen WM-Kredit aufgebraucht haben. Wenn das Leistungsprinzip greift, muss er sich erst mal hinten anstellen. Von Lukas Podolski wollen wir gar nicht erst reden.
Julian Weigl
Der „Balance-Spieler“ ist inzwischen ein wichtiger Baustein im Spiel des BVB. Er ist der Nachfolger von Sebastian Kehl, als Meister des einfachen, aber für das Aufbauspiel wichtigen Passes im Zentrum des Spiels. Er versteht es wie kaum ein Zweiter immer anspielbar zu sein und ist somit ein wichtiger Baustein im Konzept von Thomas Tuchel. Der 20-jährige Shootingstar des BVB wurde zuletzt mit Einsätzen bei der U21 belohnt. Hält er sein Niveau, könnte er vielleicht eine Überraschung für den EM-Kader 2016 sein. Durch die vielen Einsätze kann er enorme Erfahrung sammeln. Andere Talente auf seiner Position (z.B. Kimmich) sind teilweise noch Ergänzungsspieler. Nicht zuletzt in der hitzigen Schlussphase des Derbys half er mit das Ergebnis mit einigen klugen Aktionen, u.a. an der Eckfahne das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Die Formkrise von Christoph Kramer nach seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen kann vllt. eine kleine Chance für ihn sein.
Momentan kämpft Weigl zusammen mit Kimmich und einen Platz in der U21 des DFB. Verläuft Weigls Entwicklung ähnlich wie in den letzen Monaten hat er in Zukunft gute Chancen auf einen Platz in der A-Elf des DFB.
Gonzalo Castro
Beim Neuanfang nach 13 Jahren Bayer04 betonte Castro auch das Kapitel DFB sei für ihn noch nicht abgeschlossen. In Dortmund musste er sich, was völlig normal ist, erst mal zurechtfinden. Beim 7:1 Pokalerfolg gegen Paderborn hat sich Castro endlich „freigespielt“. In offensiverer Position fühlt er sich wohl und glänzte seit dem mehrfach als Torschütze und Vorbereiter. Dass eine der heiß umkämpften Positionen im DFB-Mittelfeld frei wird scheint kaum möglich. Castro ist derzeit kein Thema beim DFB. Für Dortmund wird er dagegen enorm wichtig werden. Durch seine wiedergewonnene Form kann in der offensiven Dreierreihe fast ohne Qualitätsverlust rotiert werden.
Sven Bender
Hart gesagt war er zunächst ein “Opfer des Systems” unter Neu-Trainer Thomas Tuchel. Statt klassischer Doppel-Sechs gibt es jetzt mit Julian Weigl nur noch einen zentralen Spieler vor der Abwehr. Seine Situation ist vergleichbar mit der von Javi Martinez beim FC Bayern. Einst bildete er mit Schweinsteiger eine Weltklasse-Doppel-Sechs und gewann das Triple. Unter Guardiola ist seine Rolle als perfekter Spieler für Balleroberungen nicht mehr so gefragt wie einst unter Heynckes.
Die Frage ist, wo der Weg von Sven Bender hinführt, sollten seine Einsatzzeiten so gering bleiben. Momentan rückt er beim BVB auch schon mal in die Innenverteidigung. Mit der Rückkehr von Nuri Sahin wird er es im zentralen Mittelfeld noch schwerer haben. Ein Platz im DFB-Team ist in weiter Ferne. Seit einigen Wochen hat man zumindest das Gefühl, Tuchel ist zufrieden mit der Entwicklung von „Manni“. Er bekommt langsam wieder mehr Einsatzminuten.
Sturm
Im Sturm müssen wir uns wohl noch ein paar Jahre gedulden. Janni Luca Serra macht im Moment in der U19 von BVB und DFB auf sich aufmerksam. Vorsicht ist geboten, denn der Sprung in den Profi-Bereich muss nicht immer reibungslos verlaufen. Marvin Ducksch (derzeit BVB II) ist da das beste Beispiel. Mal ist ein Spieler zur falschen Zeit am falschen Ort und mal kommen Verletzungen dazwischen. Im Sturm geht es Dortmund nicht anders als der Nationalelf. Der „deutsche Lewandowski“ muss erst noch gefunden werden. Mario Gomez ist es jedenfalls nicht.
Fazit
Mats Hummels hat einen Stammplatz. Marco Reus, wenn er fit ist, sollte ebenfalls gesetzt sein. Ginter hat eine realistische Chance, sich als Rechtsverteidiger zu etablieren. Ilkay Gündogan ist eine wichtige Option und nah dran an der ersten Elf. Schmelzer und Weigl können sich aufgrund guter Leistungen berechtigte Hoffnungen machen, während Sven Bender und Gonzalo Castro aktuell weit entfernt vom DFB-Team sind. Für Roman Weidenfeller ist das Kapitel DFB beendet.
Wir dürfen gespannt sein, wie die Entwicklung der BVB-Kandidaten für die Nationalelf bis zur EM im Sommer verläuft.
Und mal im Ernst…
Eine Nationalelf nur aus BVB-Spielern würde sich zumindest locker für die EM qualifizieren…
Weidenfeller – Durm, Ginter, Hummels, Schmelzer – Weigl, Bender, Gündogan, Castro, Hofmann – Reus